In der Ausstellung Henrik Eiben – la grande ombra werden neue Werke des in Hamburg lebenden Künstlers gezeigt, dessen Auseinandersetzung besonders durch die Verhandlung von Räumlichkeit und die Hinterfragung des Mediums Malerei geprägt ist.
Die gegenüber dem Eingang installierte Arbeit Being There (2015) besteht aus 17 gleichgroßen Stahl-Dreiecken, von denen manche lackiert bzw. besprüht wurden, andere wiederum ihre rostige Oberfläche natürlichen Witterungsverhältnissen verdanken. Als habe sie ein Windstoß gestreift, ragen Teile der Arbeit in den Raum hinein. Man ist versucht, sie wieder einzuklappen und die Dreiecke so zusammen zu setzten, dass sie ein Rechteck ergeben. Möglicherweise fühlt man sich an das chinesische Legespiel Tangram erinnert, von dem die Legende sagt, ein Mönchsschüler habe tagelang vergeblich versucht, eine in sieben Stücke zerfallene Keramiktafel wieder zusammenzusetzen. Anstatt die Ausgangsform zu finden, habe er so die unendliche Vielfalt der Muster und Bilder erfahren.
Nach dem ersten Erfassen ihrer spielerischen Komposition und der unterschiedlichen Oberflächen wirft die Arbeit Being There folgende Frage auf: Womit hat man es eigentlich zu tun? Handelt es sich hier um eine Skulptur? Oder ist es Malerei? Schließlich wurde hier Farbe auf einen Träger aufgetragen. Somit ist ein
wichtiger Aspekt der künstlerischen Praxis Eibens auf den Plan getreten: Das Ausreizen, die Befragung, die Erweiterung des Mediums Malerei.
Diesem Anliegen folgt auch die große, mehrteilige Arbeit Crosby (2015). Einerseits muten die einzelnen Elemente wie Versatzstücke eines großformatigen Gemäldes an, andererseits hat auch diese Arbeit einen stark objekthaften Charakter und lädt dazu ein, aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet zu
werden. Hier wie dort wird die Wand miteinbezogen und somit zu einem integralen Bestandteil. Vorder- und Hintergrund verbinden sich, die Unebenheiten der Wand brechen die materialbedingt glatte Oberfläche der
einzelnen Formen. Und nicht zuletzt wird die Wand zum Träger des grande ombra, des Schattenspiels, das sich durch die dreidimensionalen Elemente und die Farben ergibt. Bei Being There wirft eine rückseitig bemalte und in den Raum ragende Stahlplatte einen rötlichen Schatten an die Wand, an vielen Stellen zeichnet das einfallende Licht Umrisse nach und lässt so zusätzliche Formen entstehen. Dies setzt sich in der Ausstellung bei Lamar (2015), Crosby und Tambourine (2015) fort. Die beiden Letztgenannten überraschen zudem mit unterschiedlich eingefärbten Kanten, die es zu entdecken gilt.
Die Größe und Präsenz der Arbeiten wird im Raum durch die zurückhaltenden doch keinesfalls unauffälligen Aquarelle gebrochen. Der Gang durch die Ausstellung wird somit gewissermaßen zu einem Gang durch das vielseitige Oeuvre des Künstlers. Das Spiel mit Farben und Formen findet in den fünf ausgestellten Aquarellen (alle 2015) seinen Ausgangspunkt, sie sind der selbstgeschaffene „Inspirationspool“ des Künstlers. Aus diesen feinen Kompositionen ergeben sich die Ideen zu den objekthaften, medienreflexiven Arbeiten.
Diese Brüche bzw. konstruktiven Unterbrechungen, die sich in der Ausstellungssituation zeigen, finden sich gleichermaßen in den einzelnen Arbeiten: Unterschiedliche Formen, Farben und Materialien werden hier zu einem neuen stimmigen Ganzen verbunden. Eibens künstlerische Praxis ist wie Tangram ein Spiel, bei dem das vermeintlich nicht Zusammenpassende zusammengeführt wird.
So sehr die Werke aufgrund ihrer reduzierten Formensprache Assoziationen zu Beispielen der Minimal Art hervorrufen mögen, so sehr gelingt es ihnen, die formale Strenge der Minimalisten mit Witz und einem Augenzwinkern zu durchbrechen. So zeigen sich beispielsweise bei Tambourine und Crosby vermeintliche Ungenauigkeiten, die erst auf den zweiten Blick erkennbar sind: Die Platten unterscheiden sich teilweise hinsichtlich ihrer Stärke, wollen sich zuweilen nicht passgenau zusammenfügen, hier und da scheint ein Element verrutscht. Die skulpturalen Arbeiten bekommen somit wieder etwas von der Spontaneität und Leichtigkeit der Aquarelle.
Text: Ferial Nadja Karrasch