Text für Monopol-Magazin 12/2024
Die Werke von Minh Duc Pham holen die Erfahrungen von Vertragsarbeitern in der DDR in die Sichtbarkeit. Der deutsch-vietnamesische Künstler findet poetische Bilder für die Auflösung vorgefertigter Rollenbilder
Doch, ja, es geht ihm gut, bisschen erschöpft vielleicht, es war ein langer Endprobentag. Ein Treffen wäre schön gewesen, aber das Gespräch muss übers Telefon stattfinden. Minh Duc Pham ist gerade in der Schweiz, wo eine Premiere am Tanzhaus Zürich ansteht. Wenige Tage später dann ein Symposium am Hamburger Bahnhof in Berlin, für 2025 müssen zwei Einzelausstellungen vorbereitet werden, und da ist noch ein kuratorisches Projekt am Museum für Asiatische Kunst im Humboldt Forum.
Wenn es auch gerade schwierig ist, ihn in seinem Berliner Atelier persönlich anzutreffen, Gelegenheit, seine Arbeiten – Objekte, Installationen, Performances – zu sehen, gab es letzthin viele. Allein in den Jahren 2023/24 waren sie in sieben Ausstellungen zu sehen, viele davon zum Thema „DDR und ihre sozialistischen Bruderländer“, denn der 1991 im Erzgebirge geborene Pham ist eine wichtige Stimme in der Aufarbeitung der Geschichte der Arbeitsmigration in der DDR.
Phams zuletzt viel gezeigter Werkkomplex zur Vertragsarbeit erinnert an den Entzug von Freiheiten und Rechten, dem vietnamesische Arbeitsmigrantinnen und -migranten in der DDR ausgesetzt waren. Es sind schmerzvolle, traumabesetzte Themen, denen er sich mit geradezu fürsorglichem Respekt widmet. „Wenn es einem zu anstrengend ist, ein Thema verantwortungsvoll zu behandeln, sollte man sich etwas anderes suchen“, sagt er im Interview. Es sei ihm wichtig, Inhalte nicht nur wiederzugeben, sondern die dahinterstehenden Menschen im Blick zu behalten.
Nicht nur Erinnerungsarbeit
Die Menschen, das sind auch seine eigenen Eltern, die Anfang der 1980er-Jahre in die DDR kamen. Sie sind zwei der rund 60 000 Vietnamesinnen und Vietnamesen, die von 1980 bis 1989 von ihrer Regierung in die DDR entsandt wurden, um dort den Personalmangel zu decken. Seine auf den Schicksalen der Eltern basierenden Installationen „Fountains of A High Mountain and A Sweet Dream“ (2024) und „12 Prozent – Giđ an đen ro`il!“ (2022/23) sind den Betroffenen von Zwangsabtreibungen gewidmet: Vietnamesischen Vertragsarbeiterinnen war es in der DDR verboten, schwanger zu werden.
In seiner multimedialen, interdisziplinären Praxis geht es Minh Duc Pham aber nicht nur um Erinnerungsarbeit. Auch das Thema Identität im Spannungsfeld von Gender, Race und Klasse ist wichtiger Bestandteil seiner künstlerischen Auseinandersetzungen.
Wie ein roter Faden zieht sich das Blumenmotiv durch seine Werke. Er fand es schon zu Zeiten seines Studiums an der Universität der Künste in Berlin und der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe. Tulpen, Lilien, Orchideen und Chrysanthemen tauchen in Fotografien, als Keramikobjekte oder Textilskulpturen auf. In Werken wie „Daijoubu“ (2022/23) und „AAA – (Adaptation – Affection – Affirmation)“ (2023) thematisiert Minh Duc Pham den fetischisierenden, exotisierenden, diskriminierenden Blick, setzt sich mit der eigenen Queerness auseinander und findet Bilder für das Auflösen vordefinierter Rollen. Es ist komplex. Aber wer wollte schon erwarten, dass die Arbeit an Erinnerung und Identität einfach ist.
Dieser Artikel erschien zuerst in Monopol 12/2024.
Foto: Minh Duc Pham