Eine Untersuchung des „Ahja“ – die Klasse John Bock bei oqbo | raum für bild wort ton

Text für art in berlin (7.8.2025)

Der Ausstellungstext zu Ahja. Klasse John Bock mit Arbeiten von Studierenden der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe bei oqbo | raum für bild wort ton ist eine wie ein Gedicht anmutende Reflexion über die äußerst dehnbare Bedeutung der Äußerung „Ahja“. 

Ein paar Beispiele: 
„Vorsichtig geäußertes Bedenken. 
Das Ja noch zurückhaltend. Bedenke doch… 
Ein zweifelndes Ausharren, 
Vielleicht in einer eigenen Meinung von zuvor verhakt.“ (Emma Tietze)

„Ahja“ kann alles Mögliche bedeuten: Zustimmung, Freude, Irritation, Misstrauen, Überraschung, Verwunderung und so weiter. Je nach Kontext, je nach Intonation. 
„Ahja“ ist gewissermaßen eine Begleiterscheinung der Bock’schen Kunstwohlfahrt: Ein die Begegnung zwischen Kunstwerk und Rezipient*in begleitendes verbal-phonetisches Moment. „Ahja“ passiert dann, wenn sich ein Kunstwerk in das Ordnungssystem von Betrachtenden einloggt und dort etwas anrichtet, einen Widerstand auslöst beispielsweise, oder eine Irritation, oder eben Freude oder plötzliches Verstehen. „Ahja“ ist das Ergebnis der zwischen dem Kunstwerk und den Betrachtenden stattfindenden Prozesse des Aufmerksamkeit auf sich Ziehens auf der einen Seite und dem Verstehen wollen auf der anderen.

Nehmen wir also dieses Moment als Ausgangspunkt der Präsentation der Klasse John Bock: Einen guten Ahja- Effekt, bzw. gleich mehrere, haben zum Beispiel die Arbeiten Calvin Klein I, PUMA und Calvin Klein II (alle 2025) von Isak Hochuli: Auf den allerersten Blick handelt es sich hier um drei minimalistisch-monochrome Objekte, eines grau, eines schwarz, eines blau. Beim zweiten Blick geben sich die vermeintlichen Leinwände als aufgespannte Unterhosen der Marken Calvin Klein und PUMA zu erkennen. Und der dritte Blick stiftet wieder Verwirrung, denn die aufgespannten Stoffe haben keine Öffnungen für die Beine. Die Arbeiten Calvin Klein I, PUMA und Calvin Klein II sind zu keinem Zeitpunkt das, was man denkt, was sie sind …
Direkt daneben, bzw. darunter, an der Wand lehnend: Die Arbeit Ohne Titel (2025) von Max B. Werner. Ein Aluminiumguss, der an zwei Spitzenschuhe erinnert. Doch die Füße gehen nicht in Beine über, sondern in Stäbe, an denen die Unterschenkelknochen befestigt zu sein scheinen. Die Arbeit erzeugt Assoziationen zur Schönheit und vermeintlichen Leichtigkeit des klassischen Balletts und hat gleichzeitig etwas Brutales – im Prinzip eine präzise Zusammenfassung dieser Tanzform.

Auch die Arbeit Full of Myself (2025) von Samira Liotta birgt einen Moment des Kippens, in dem sozusagen eine Bedeutung des „Ahjas“ in eine andere umschwingt. Das aus Ton gefertigte Einhorn trägt ein Horn aus Wachs, das ihm nach und nach auf die Schnauze tropft. Bis es irgendwann kein Horn mehr gibt und sich die Frage stellt, was das Einhorn dann sein wird. 
In Katharina Rauschs Videoarbeit Mach Welle Diana, die Hände bellen (2025) wird eine kleine Pupe aus Porzellan, Stoff und Kunsthaar zum Alter Ego, zum partner in crime, zum Counterpart der Künstlerin und Evelyn Volks Fotografie-Serie Ohne Titel (2025) gibt uns Anlass, über die Beziehung der abgebildeten Frau zum Quietscheentchen-Badewannenspielzeug zu spekulieren. 
Teresa Weltes Arbeit We lower and we live good (2025) thematisiert den weiblichen Körper als einen in ästhetische Zwänge eingebundenen, den es nach dem Ideal zu formen gilt. Über die collagierten Abbildungen der nackten, vorwiegend weiblichen Körper sind Textfragmente gedruckt, die Assoziationen an Fitnesscenter-Kommunikation hervorrufen: „I want you to hold it up“, „I know it burns it burns me too“. Den Anweisungen und Ausrufen des Ansporns sowie den Abbildungen der normschönen Körper stehen Tier-Abbildungen entgegen: Ein fauchender Luchs, ein wütender Schwan, ein lauernder Leopard; nur das in der Bildmitte präsentierte Karussell-Pferd ist der Zähmung in die Falle gegangen. Aber das ist ja eh nicht echt.

Im Keller werden die Videoarbeiten OBSESSION (o.J.) von Kian Bartels und Dancing eyes (o.J.) von Emma Tietze präsentiert. In Letzterem sind die tanzenden Augen in der Nahaufnahme zu sehen: Freiwillige Bewegungen – Blicke nach rechts, nach links, nach oben und unten, schielen – mischen sich mit notwendigem Blinzeln. Je länger die Augen tanzen, desto komischer werden sie. Wie zwei Fremdkörper kommen sie plötzlich daher, ihre Synchronität wirkt absurd, ihre Form, die durch die extremen Bewegungen gut sichtbar wird, grotesk. Was für ein sonderbares Organ das Auge doch ist. Freude, Irritation, Überraschung, Verwunderung: Ahja! 

Die Ausstellung der Klasse John Bock reiht sich ein in die Tradition bei oqbo, einmal im Jahr jungen Studierenden verschiedener Kunstakademien eine Ausstellung auszurichten. 

Klasse John Bock | Staatl. Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe
Kian Bartels \ Evelyn Volk \ Tim Becker \ Luca Cottier \ Hermann Nick \ Izak Lenz Hochhuli \ Thomas Hora \ Samira Liotta \ Paul Millet \ Katharina Rausch \ Marco Spitz \ Lutz Tausend \ Emma Tietze \ Teresa Welte \ Max Werner 

noch bis 13.8.2025

oqbo | raum für bild wort ton
Brunnenstraße 63 | 13355 Berlin
Tel. 0157 - 753  663 52
do + fr + sa 15:00 Uhr bis 18:00 Uhr
www.oqbo.de

Hinterlasse einen Kommentar