Matt Mullican
Santa Monica, California, 1951
lebt und arbeitet in Berlin
Die Wirklichkeit, in der wir uns bewegen, in der wir denken, fühlen und handeln, ist ein buntes Mosaik aus subjektiven Wahrnehmungen und Anschauungen. Dies ist der konzeptuelle Grundbaustein, auf dem basierend sich Matt Mullicans vielseitiges Werk aufbaut, sich immer weiter ausdehnt zu einem riesigen, komplexen Gedankengebäude.
Mit der Serie SUBJECTS, von Keystone Editions verlegt, setzt Mullican seine Untersuchung der Beziehung zwischen subjektiver Anschauung und den Dingen der Wirklichkeit fort. Sie ist als erste lithografische Arbeit des Künstlers eine neue Facette seines zwischen verschiedenen Medien oszillierenden Oeuvres.
Seit mittlerweile vier Jahrzehnten arbeitet er an einem Modell einer Kosmologie, die Ordnung bringen soll in das Tohuwabohu dessen, was wir Wirklichkeit nennen. Dabei geht es nicht um Allgemeingültigkeit, sondern um ein Ordnungssystem, das sein eigenes Verhältnis zur Welt ausdrückt. Dieses Anliegen hält sein komplexes Werk im Kern zusammen, in seinem Orbit siedeln sich seine Skulpturen, Zeichnungen, Frottagen, Performances, Videos, Plakate, Fahnen und nun auch die Lithografien an.
Mullican strukturiert sein Verhältnis zur Welt, er zerlegt die Prozesse seiner subjektiven Wahrnehmung in einzelne Schritte und ordnet sie in sogenannten Charts an, so dass diese inneren Vorgänge auf systematische Weise einsehbar gemacht werden. Sein Werk gleicht einer einzigen, sich über Raum und Zeit hinwegsetzenden Installation, deren Bestandteile aufeinander verweisen und sich gegenseitig erläutern.
Das von ihm entwickelte Farbschema und sein umfassendes Zeichensystem, das sowohl aus erfundenen als auch aus der Alltagswelt entnommenen Zeichen besteht, wird in SUBJECTS veranschaulicht. Die Blätter 1 bis 5 entsprechen den fünf Bewusstseinsebenen, in die Mullican die Beziehung zur Welt einordnet. Die jeweiligen Prozesse finden in den Blättern 6 bis 10 weitere Erläuterung.
SUBJECT, beschreibt das Subjektive als die Instanz der Wirklichkeitsaneignung und -ordnung. Die in Gelb gefasste Brillenform des 6. Blattes, FIRST PERSON, verdeutlicht die Perspektive des sich durch die Wirklichkeit bewegenden, mit Subjektivität ausgestatteten Individuums.
Nach dem Bereich des Inneren, leitet SIGN die Welt der Zeichen ein. Die Farbe Schwarz, das Quadrat und der eingefasste schwarze Punkt stehen für die Sprache, die den Gegenständen der Wirklichkeit Bedeutung zuordnet. Das hiermit korrelierende Blatt 7, SECOND PERSON, symbolisiert die Relation der subjektiven Erfahrungen zu den per Sprache vermittelten Bedeutungen.
Der gelbe Globus im Zentrum ist WORLD FRAMED, jener Bereich, der von allen anderen vier Ebenen gerahmt wird. Er steht für die abstrakte Vorstellung, die Ideen, die zum Inhalt von Kunst und Wissenschaft werden. Damit einhergehend bezeichnet THIRD PERSON die Reflektion, das Überschreiten des Individuellen und das Hinausgehen über die sprachliche Bedeutungszuweisung.
Blatt 4, WORLD UNFRAMED, betrifft den Alltag, der angereichert ist mit Dingen und Bildern, deren Erscheinungen unreflektiert bleiben. Hiermit korreliert VISCERAL FEELING, das unbewusste, undifferenzierte Gefühl des Subjekts.
Die symmetrisch angeordneten Kreise auf grüner Fläche in ELEMENTS symbolisieren die Materie, den Bereich des Objektiven, der durch Abwesenheit von Bedeutung gekennzeichnet ist. Das hiermit in Verbindung stehende NO FEELING ist ein neues Element und findet hier erstmals Eingang in Mullicans Ordnungssystem. Es bezeichnet nicht nur die Abwesenheit von Gefühlen, sondern auch die Erkenntnis, dass in jedem empfundenen Gefühl auch das Potenzial für die totale Abwesenheit von Gefühlen liegt.
Im Zusammenhang mit der Einführung eines neuen Elements und dem damit verbundenen Symbol ist auch die formale Referenz der Serie an seine Arbeiten der späten 1970er Jahre konsequent. In dieser Zeit entwickelte Mullican seine Grundmotive, die er mit seinem Namen und der jeweiligen Bezeichnung des Motivs kombinierte, bevor er ab 1982 auf Schrift im Bild verzichtete.
In SUBJECTS kehrt er zur Verwendung von Schrift zurück, er fügte sie handschriftlich hinzu, so dass die leichten Verwackelungen einen Kontrast bilden zu der Präzision der Drucke. Die Typografie ist eine Konzeption des Künstlers und basiert auf einem streng geometrischen System, das einige Buchstaben und Zahlen ungewohnt aussehen lässt. So verbindet sich hier auch auf formaler Ebene der Bereich des Individuellen mit jenem des Objektiven.
Matt Mullican SUBJECTS (2018)
Mappe mit 10 mehrfarbigen Lithografien sowie Deck- und Kolophonblatt; in einem Klappschachtel untergebracht.
Jedes Blatt wurde mit einer Handzeichnung in Mullicans persönlicher Schriftart ergänzt.
Auflage: 16
47 cm x 37 cm
Alle Fotos ©def image
Matt Mullican
Santa Monica, California, 1951
lives and works in Berlin
The level of reality in which we move, in which we think, feel and act is a colourful mosaic of subjective perceptions and perspectives. As the conceptual basis for Matt Mullican’s multi-faceted practice, this idea has continually expanded to create a vast and complex theoretical construct.
SUBJECTS, published by Keystone Editions, continues Mullican’s investigation of the relationship between subjective outlooks and objects of the real world. As the artist’s first lithographic work, this series is a new facet of his versatile repertoire of media and techniques. In over four decades of exploration, he has elaborated a kind of cosmology; a system of understanding that brings an explicitly personal order to the jumble that is everyday existence. This is the point around which his entire œuvre revolves, be it in sculpture, drawings, rubbings, performances, videos, posters, flags or now also in lithography.
Mullican structures his personal relation to the world by dividing his subjective perceptions into individual stages; these awarenesses are then systematically arranged on separate “Charts”. His works reference and juxtapose each other as if every component were a part of a single, all-encompassing installation. The images in SUBJECTS incorporate Mullican’s signature colour scheme and his extensive lexicon of both invented and appropriated symbols. The five levels of consciousness in which he classifies the relationship to the outside world are represented in images 1 through 5; images 6 through 10 expand on these ideas through the lens of subjectivity.
Image 1, SUBJECT, describes the subjective as the primary instance of assimilating and ordering reality. The yellow eyeglass shape of the sixth image, FIRST PERSON, further emphasises the personal perspective via a subjectively omnipotent form of the self.
Departing from the internal level, SIGN introduces the realm of the symbolic. The black colour and the spot encompassed by the square represent the language that defines worldly objects. The 7th image, SECOND PERSON correlates by symbolising the relationship of subjective experience to language-based understanding.
The yellow sphere is the WORLD FRAMED, and is encompassed by the other four planes, and represents abstract thought; the stuff of art and science. Conversely, in THIRD PERSON concrete thought becomes the vehicle for expanding beyond both the individual self and purely linguistic interpretation.
The WORLD UNFRAMED describes everyday life, so enriched with the things and images that are taken for granted. In contrast, on an internal level, VISCERAL FEELING illustrates pure, unconscious and unconditioned feeling.
The symmetrically arranged circles on the green surface of ELEMENTS symbolise the Material, the objective, defined by the absence of meaning. A parallel absence is represented by NO FEELING, a new element in Mullican’s cosmology. Not only is this a reference to a lack of emotion but also to an inherent awareness that in every observed feeling lies the potential for a total absence of feeling.
With the introduction of a new element and its associated symbol this series makes a formal reference to Mullican’s work from the late 1970s. It was during that time that he developed his principal motifs, which were combined with his name and the respective designations before, in 1982, abandoning text in his imagery. The appearance of text returns in SUBJECTS, this time drawn with graphite, so that the slight imperfections from the artist’s hand create a stark contrast to the clean lines of the prints. The font was developed by Mullican himself; the strict geometric system upon which it is based gives the type its unusual appearance. This time within the realm of formal considerations, the domain of the individual encounters once again that of the objective.