Clara Brörmanns Arbeiten entstehen durch den ständigen Wechsel von Konstruktion und Destruktion: Eine Bildidee wird erdacht und ausgeführt, um nach ihrer Fertigstellung wieder negiert, zerstört zu werden. Je nach verwendetem Material – Brörmann benutzt auf ihren Leinwänden neben Ölfarbe auch Bleistift, Tusche und Strukturpaste, ein selbsthergestelltes Gemisch aus Pigmenten und Acrylbinder – wird das Bild übermalt, Farbe wird abgezogen oder abgewaschen. Wie bei Fingerabdruckbild (2012) sind häufig die Spuren der Verletzung der Bildoberfläche durch die Künstlerin zu sehen. Dieser Eingriff in die Unversehrtheit des Bildes und das Verschwinden seiner Formen ermöglichen jedoch gleichzeitig das Erscheinen: Zum Vorschein kommen frühere Stadien des Bildes, Spuren von Älterem, Verdecktem.
Die Arbeit Bild im Hier + Jetzt 2 von 2012 zeigt, wie die Konturen und Figuren der ‚übereinandergelegten’ Bilder ineinander greifen; im Zusammenspiel mit der teilweise sichtbar gemachten Leinwand ergeben sie neue Strukturen, so dass Träger und Bild miteinander verschmelzen.
Die Phase der Destruktion, die geprägt ist von Unzufriedenheit und Aggressivität gegenüber dem Bild, ist somit wesentlicher Bestandteil auf der Suche nach einer einheitlichen Bildkomposition, einer Ausgeglichenheit des Bildes, die den Endpunkt des Entwicklungsprozesses markiert, ohne dass dieser zu Beginn antizipiert werden könnte.
Der Entstehungsprozess wird bestimmt von einem permanenten Wechsel zwischen systematischem Vorgehen, dem Verfolgen einer konkreten Bildidee auf der einen Seite und intuitivem, experimentellem Vorgehen, der spontanen Reaktion auf das Entstandene auf der anderen Seite.
In der Formensprache drückt sich das Hin- und Herspringen zwischen Zufall und Komposition durch die Kombination geometrischer Körper und grafischer Formen mit expressiven Momenten, informellen, malerischen
Elementen aus. Klare Linien durchziehen ordnend unruhige Farbflächen – wie bei der 2012 entstandenen Arbeit Bild im Hier + Jetzt 5, in der die breiten, statischen Streifen den Blick auf eine dahinter liegende Dynamik zu verhindern scheinen. Die vier Streifen überlagern als weiße Bänder die darunter liegenden Bildebenen, die bei genauerem Betrachten Kratzspuren und Aufrauhungen der Leinwand aufzeigen. Die weißen Flächen gehen über die Kanten der Leinwandoberfläche hinaus und setzen sich an den Außenkanten fort, wodurch das Gemälde eine Objekthaftigkeit erlangt.
Durch das Aufeinanderlegen und Zerstören der Formen konstruiert Clara Brörmann Bildräume, die wir mit unseren Augen begehen können. Es steht dem Betrachter frei, sich in diesen Bildräumen auf die Suche nach den
verschiedenen Momenten des Bildes zu begeben, zu versuchen, im Schwirren der inneren Bewegung der Bilder die zwischen den Formen eingewebte Zeit zu entdecken – oder das Gemälde als stimmiges, geschlossenes Ganzes wahrzunehmen.