In ihrer Ausstellung α minus 1 setzt sich Monika Goetz mit dem Sichtbarmachen des Unsichtbaren und dem Unsichtbarmachen des Sichtbaren auseinander. Sehen und Nichtsehen, Wahrnehmung und Verständnis werden auf die Probe gestellt.
Empfangen wird der Besucher von der In-Situ-Arbeit Neutral Density.
Die Künstlerin hat die Glasfenster des Empfangsraums mit Filtern versehen, die normalerweise beim Film oder in der Fotografie verwendet werden, um das einfallende Licht zu manipulieren. Je nach Stärke des neutralen Graufilters, die von -1 bis -4 variiert, wird das Licht, das in den Galerieraum fällt, unterschiedlich stark reduziert. Die verschiedenen Farbfelder heben die dem Glaskubus eigenen Formen hervor und transformieren den Übergangsbereich, der das Draußen vom Drinnen trennt zu einem eigenständigen Objekt. Gleichzeitig wird die Funktion dieses Übergangsbereiches hervorgehoben, ja verdoppelt: Als ein gefilterter Blick auf die Umgebung, als eine Manipulation des Blickes (in die Galerie oder aus ihr heraus), stellt die Arbeit gleichsam die Einleitung zu der Ausstellung α minus 1 dar.
Beim Betreten des Galerieraums sieht sich der Betrachter der Arbeit From A to B gegenüber, deren zarte Strahlen den weiteren Weg weisen. Das schwarze Kreidepulver wurde mithilfe einer Schlagschnur, wie sie Maurer zum Zeichnen einer exakten Linie verwenden, auf die weiße Wand gebracht. Durch den unterschiedlich starken Auftrag der Kreide entstehen mal kräftige, mal dezente Linien, die im Gesamten eine poetische, fragile Wandzeichnung ergeben. Die Kreidestrahlen leiten den Betrachter zu der Arbeit Fail Better.
Während Neutral Density das Licht nur teilweise reduziert, ist das Licht der fünf Glühlampen durch das Auftragen eines hitzebeständigen, blickdichten Lack-Sprays vollständig blockiert. Das von den brennenden Glühlampen ausgehende Licht wird auf diese Weise unsichtbar gemacht und kann lediglich anhand der ausgestrahlten Wärme erfühlt werden.
Der nächste Raum birgt amorphe, undefinierbare Formen. Bei den digitalen Drucken handelt es sich um Film-Stills des im Nebenraum gezeigten Videos. Für Requiem For A Defined Space (Projektion, 9-Minuten-Loop, ohne Ton) filmte Monika Goetz die Prozesse im Inneren einer Nebelkammer, in der durch ein übersättigtes Alkohol-Wasser-Gemisch die ständig ablaufenden Transformationsprozesse der Atomkerne sichtbar gemacht werden. Die größeren, beinah figürlichen Formen entstehen durch die Spaltung der Alphateilchen vom Mutterkern, während die streifenartigen Gebilde das Ergebnis des so genannten Beta-Minus-Zerfalls sind, bei dem sich im Kern ein Neutron zu einem Proton umwandelt. Die sichtbar gemachte radioaktive Strahlung umgibt uns zu jeder Zeit, bleibt
jedoch für unser Auge verborgen.
Das Spektakel aus beständigem Kommen und Gehen, Verschwinden und Entstehen, Zerfall und Neubildung ergibt eine abstrakte Szenerie aus strukturlosen Gestalten, flüchtigen Linien und kurzlebigen Wolken, die durch die Film-Stills eine weitere Abstraktion erfahren. Fragmentarisch wird das Zerfließen und Entstehen im Moment festgehalten, das Ephemere erfährt eine Verewigung und präsentiert sich gleichsam als ein persönlicher Blick der Künstlerin auf eine abstrakte Szene.
Text: Ferial Nadja Karrasch